Gedanken zu Ägypten


Die Vorgänge in Ägypten haben mich angestrengt und ermüdet. Ich habe Angst um die Menschen die dort leben, um die Menschen, die mir mittlerweile nahe stehen. Ich habe Verlustängste. Vielleicht sind diese Verlustängste in Anbetracht der Lage ungünstig und egoistisch, aber sie sind vorhanden. Gerade beginne ich mich mit dem ägyptischen Teil meiner selbst auseinander zu setzen, droht diese Auseinandersetzung durch die Unruhen in den Kinderschuhen stecken zu bleiben.

Die Ägypter, mit denen ich zur Zeit kommuniziere sind glücklich über das Eingreifen des Militärs. Meine Ängste und Argumente bezüglich der brutalen Vorgehensweise des Militärs werden nicht verstanden. Sind meine Ängste tatsächlich unbegründet?
Ich wurde mit den Worten beruhigt ich solle keine Angst haben, das Militär würde nun für Ruhe sorgen und in einem Monat wäre alles gut. 
Ist es so, hat das Militär dieses Vertrauen verdient? Oder wird mit der Entmachtung der Moslembrüder direkt das zarte Pflänzchen der Demokratie vernichtet? Genau wird dies nur die Zukunft zeigen. Was helfen Spekulationen, sie bereiten nur schlaflose Nächte.


Es scheint ein Urvertrauen in das Militär zu geben, dass es einem hier in Deutschland unheimlich ist. Hier spricht man von einem Massaker an den Moslembrüdern, in Ägypten von notwendigen Maßnahmen. Vergessen sind die Taten des Militärs zu Beginn der Revolution.
Der aktuelle Umgang mit der gerade erst geborenen Demokratie ist in der ägyptischen Bevölkerung zur Zeit eher unwichtig, wird wohl gar nicht wahrgenommen.


Ich stelle mir die Frage, ob ich mir überhaupt ein Urteil erlauben kann. 
Ich lebe nicht in Ägypten,  ich musste nicht den ganzen Tag an der Tankstelle verbringen um rationalisierte 20 Liter Sprit für mein Auto tanken zu können. Ich musste nicht erleben, wie mir mein Auto oder Motorrad sprichwörtlich unterm Hintern geklaut wird, vielleicht mein einziger wirklicher Besitz. Wie Häuser von Christen angezündet wurden, wie Kinder entführt und utopische Summen erpresst wurden.

Würde sich in einem Alltag mit solchen Umständen einiges in meiner Betrachtungsweise ändern? Würde ich mich eventuell auch über diese Art von Wiederherstellung der inneren Sicherheit freuen? 
Es gab nicht wenige Stimmen, die im letzten Jahr bereits den Zeiten unter Mubarak nachtrauerten. Das waren gewiss keine politisch motivierten Menschen, sondern Menschen die täglich sprichwörtlich um ihr Brot kämpfen.
Ich sollte versuchen auf den ägyptischen Teil in mir zu hören und meine Ängste über die Zukunft Ägyptens zurück zu drängen. Aber irgendwie gibt der deutsche Teil in mir, der Konflikte versucht anders zu lösen, keine Ruhe.
Es ist wie es ist, eine doofe Situation.
Glücklicherweise helfen ein wenig Ablenkung und bunte Bilder um mich wieder ruhiger schlafen zu lassen. Somit wird das Projekt "Leben mit Büchern" noch einige Zeit meinen Blog füllen und mich beschäftigen. Wie gesagt, ich lebe nicht in Ägypten.

Kommentare

The Paper Art Shop hat gesagt…
Du kannst nur in Gedanken bei Deinen Freunden in Ägypten sein. Aber Du kannst Dich von den Sorgen um sie nicht auffressen lassen, es würde nichts ändern!!!! Es gibt leider so viele Dinge im Leben, die wir nicht beeinflussen, geschweige denn ändern können...
Isabelle hat gesagt…
Ich kann noch nicht einmal in Gedanken bei meinen Freunden sein, zumindest nicht immer. Es nimmt sonst zu viel Raum ein. Aber da sich die Lage in den Medien ein wenig beruhigt hat und ich auch aus Ägypten zur Zeit keine neuen Hiobsbotschaften erhalte werde ich ruhiger. Du hast Recht, es gibt so viele Dinge die wir nicht beeinflussen oder ändern können. Der Umgang damit ist jedoch nicht jeden Tag gleich.
barbara rath hat gesagt…
Es ist schon beeindruckend wie sehr du dich bemühst, unvoreingenommen auf die Enwticklungen in Ägypten zu schauen - aber genau das können wir m.E. nach nicht: unvoreingenommen sein. Deswegen ist dir so fremd, was deine ägyptischen Freunde bewegt, muss dir fremd sein. Denn du und dein Leben, ihr seid völlig anders geprägt als die Menschen dort. In eine andere Haut schlüpfen ist so unendlich schwer, mir scheint das fast unmöglich.
Aber auch wenn es uns nie gelingen wird unvoreingenommen zu sein - wir haben als Wesen in der Zeit nun einmal eine Vorgeschichte - so
können wir doch ganz bewusst dafür sorgen, offen zu sein.
Ich denke, in genau diesem Sinn tust du, was du nur kannst. Bewundernswert offen stehst du deinen menschlichen & kulturellen Entdeckungen in Ägypten gegenüber. Und ich schätze mal, dass du dich jetzt gemeinsam mit deinen Freunden entwickelst, gemeinsam mit dem, was Ägypten betrifft. Warte mal, noch läppische 10 oder 15 Jahre und du hast eine "Innensicht"... Reib dich jetzt bloß nicht damit auf, dass du das Gefühl hast, ohnmächtig zuschauen zu müssen: Allein der Gedankenaustausch mit deinen ägyptischen Freunden ist ein Eingreifen. Wer weiß: vielleichts hilfts ja...?
Isabelle hat gesagt…
Ich bin nicht unvoreingenommen. Ich versuche nur die Eindrücke zu transportieren die ich vor Ort subjektiv gesammelt habe.
Außerdem ist es ein Versuch die eigenen Gedanken zu sortieren, dabei ist es für mich selber hilfreich sie schriftlich in Worte zu fassen. Das könnte ich auch im stillen Kämmerlein tun, aber mit so einem Blog ist es viel schöner wie ich immer wieder feststelle.
Ich hoffe du hast mit deiner Einschätzung Recht und ich habe irgendwann eine "Innensicht".
Du hast unbedingt Recht, dass ich mich nicht aufreiben darf, ist aber nicht immer so einfach. Da spielen so viele persönliche Faktoren mit rein. Ich teile aber deine Meinung zum Gedankenaustausch. So etwas ist immer hilfreich, für beider Seiten.